Handlungssteuerungsmodell Prof. Dr. Julius Kuhl
Teil 2 - Unsere vier Hirnfunktionssysteme
Wir Menschen unterscheiden uns darin, wie gut wir die einzelnen Hirnfunktionssysteme einsetzen können und auch darin, wie gut uns der Übergang von einem zum anderen System und somit der Wechsel zwischen den beiden Gehirnhälften gelingt.
WIE AUS ABSICHTEN HANDLUNGEN WERDEN
Jede Handlung vollzieht sich als Interaktion zwischen vier Systemen im Gehirn des Menschen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Im Idealfall werden die vier Systeme nacheinander angesprochen:
Zielbildung – Handlungsplanung – Handlungsausführung und Ergebniskontrolle.
Der Wechsel zwischen den beiden Hirnhälften, der notwendig ist, um von einem Schritt zum nächsten zu gelangen, ist trainierbar.
1) Hirnfunktions-System – Ganzheitliches Fühlen
Zielbildung: Der Prozesskreislauf beginnt dort, wo das letzte Kapitel endete – bei den Motiven. Dank des ganzheitlichen Fühlens können wir direkt auf unseren Speicher zugreifen, in dem wir all unsere emotionalen Erfahrungen und Motive speichern. Sie sind im Hintergrund ständig präsent und verantwortlich für die kreative Entstehung von Ideen und Zielen, die wir von uns selbst aus anstreben.
Bei der Zielbildung werden daher alle unsere emotionalen Bedürfnisse, Erfahrungen und Werte mit einbezogen – dies passiert allerdings zum größten Teil unbewusst. Diese Art der Informationsverarbeitung, wie Sie im Zielbildungsprozess abläuft, nennt man ganzheitliches Fühlen. Damit wird deutlich, dass wir nur über das Wahrnehmen und Nutzen unserer Gefühle diesen Prozess aktiv steuern und beeinflussen können.
2) Hirnfunktions-System – Logisches Denken und Planen
Handlungsplanung: Wenn ein Ziel definiert ist, übernimmt ein anderes Hirnfunktionssystem den weiteren Prozess der Handlungssteuerung: das logisch-rational funktionierende Denken und Planen. Dieses sorgt mit Hilfe des Absichtsgedächtnisses dafür, dass wir Unerledigtes präsent halten, unsere Handlungen schrittweise entwickeln und mögliche Schwierigkeiten auf dem Weg zum Ziel analysieren und lösen können.
Der Problemlösung kommt dabei oftmals eine wichtige Rolle zu, denn viele unserer Ziele können wir nicht einfach und direkt umsetzen, sondern müssen zunächst Hürden überwinden oder wegräumen.
3) Hirnfunktions-System – Intuitive Handlungssteuerung
Zielumsetzung: Sobald die Handlungsplanung und Problemlösung vollzogen ist und der erste Handlungsschritt festliegt, tritt wiederum ein anderes Hirnfunktionssystem in Aktion: die intuitive Handlungssteuerung. Dieses stellt uns alle Bewegungs- und Handlungsroutinen zur Verfügung, die wir brauchen, damit die geplanten Schritte unserer Handlung auch wirklich ausgeführt werden und gelingen können.
Da auch dieses Hirnfunktionssystem eine Unmenge an Informationen im Hintergrund verarbeiten muss, damit wir in Bewegung kommen und unser Ziel ansteuern können, arbeitet es weitgehend unbewusst, d.h. intuitiv. Ansonsten wären wir auch vollkommen überfordert, wenn wir die Koordination all unserer Muskeln, Gelenke und Sinne, die uns permanent darüber informieren, was gerade im Innen und Außen passiert, mit unserem bewussten Verstand steuern müssten.
4) Hirnfunktions-System – Analytische Objektwahrnehmung
Handlungskontrolle: Damit wir unsere Handlung wie beabsichtigt durchführen und unser Ziel am Ende auch wirklich erreichen, schaltet sich ein weiteres Hirnfunktionssystem ein: die analytische Objektwahrnehmung: Dieses Hirnfunktionssystem arbeitet wir ein inneres Radar und überwacht laufend, ob das, was wir tun und so, wie wir es tun, auch wirklich unseren inneren Vorstellungen (also unserem Zielbild, unseren emotionalen Bedürfnissen und Erfahrungen) sowie unseren eigenen Absichten und Plänen entspricht.
Die analytische Objektwahrnehmung kontrolliert somit die Ergebnisse unserer Handlungsschritte und entscheidet, ob wir das Ziel erreicht haben oder nicht. Wann immer es eine Abweichung von unseren inneren Vorstellungen und Plänen findet, schlägt es Alarm und schickt uns ein negatives Gefühl bzw. einen negativen Gedanken ins Bewusstsein, damit wir unser Tun und Handeln neu überdenken und ausrichten können.
Stellt das System fest, dass unser Ziel nicht erreicht wurde, beginnt der Prozesskreislauf von vorn. Im Idealfall wird nun ein anderes Vorgehen ausprobiert – ansonsten laufen wir immer wieder mit dem Kopf gegen die gleiche Wand.
Unsere vier Hirnfunktions-Systeme – Der Prozess
Wenn man diesen Prozesskreislauf der Handlungssteuerung verfolgt, wird klar, dass von einem Schritt zum nächsten immer ein Wechsel zwischen rechter und linker Hirnhälfte erfolgt. Die Hirnhälften unterscheiden sich in der Art der Informationsverarbeitung:
Links werden Informationen logisch-analytisch und schrittweise (d.h. seriell) verarbeitet, rechts intuitiv-kreativ und parallel. Informationen, die wir logisch-analytisch verarbeiten, können wir uns recht leicht bewusst machen. Demgegenüber können wir uns die Informationen, wie wir intuitiv-parallel verarbeitet haben, in der Regel nicht oder nur in kleinen Bruchstücken ins Bewusstsein rufen.
Um Sie dennoch für uns nutzbar machen zu können, haben wir unsere Gefühle: positive Gefühle zeigen uns an, wir sind auf einem guten Weg, negative dagegen wollen uns sagen, dass wir unser Tun und Handeln hinterfragen und ggf. neu ausrichten sollten.